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9. Dezember 2010 / Pascal Tannich

Schneechaos und innerer Frieden

Gäbe es ein Wort des Quartals, wäre es im Moment wohl „Schneekatastrophe“ oder „Schneechaos“.

Es ist tragisch, wie uns dieses Wetter lähmt. Deutsche kommen zu spät in die Arbeit, in die Universität, zur Schule. Die Republik der Pünktlichkeit kann sich nicht wehren. Winterreifen sind ausverkauft. Laster stehen auf den Autobahnen quer. Wir frieren. Und kriegen unsere Autotüren morgens nicht mehr auf.

Und all das, obwohl wir vorgesorgt haben. Schon vor Wochen haben die Baumärkte gut an uns verdient. Scheibenkratzer, Frostschutzmittel fürs Auto. Winterreifen, sofern noch welche da waren. Wer noch keine hatte, leistete sich eine Standheizung.

Täglich sind die Weg-Frei-Kratzer ab fünf Uhr auf den Beinen, um die gefühlte Halbmarathonstrecke um ihr Haus mindestens zu 99 Prozent schneefrei zu bekommen.

Die einzige, die wohl wieder einmal nicht mit dem Wetterumschwung gerechnet hatte, ist Die Bahn. Sitzt man erst in seinem Zug – ja, er kam zu spät und man weiß, den Anschluss kann man getrost vergessen – muss man sich fragen: Wo sind die Finnen in ihren Handtüchern? Heizung? Sauna wäre eine bessere Bezeichnung. Zur Abkühlung und Anregung der Durchblutung kann man aber einfach einen Wagon weiter gehen. Hier ist die Heizung gerade ausgefallen. Aber wann beherrscht Die Bahn schon mal ihre Technik.

Doch es gibt eine bessere, schönere – die wahre Seite des Winters. Ruhe und Frieden. Der Schnee schluckt alle Geräusche. Er ist weiß, unschuldig und schmückt alles, auf das er fällt. Sei es die Restmülltonne vor der Haustüre. Er macht aus Kindergartenkindern Schneegnome, die seesterngleich durch den Schnee kugeln. Kinderlachen füllt die Luft. Schneemänner bewachen die Gärten. Väter pflügen liebevoll mit Kinderwagen durch Schneewehen auf Gehwegen. Der kleinste Hügel dient zum Schlittenfahren.

Nach einem anstrengenden Tag in der Arbeit, nach einer odysseegleichen Anreise hatte man es doch noch dorthin geschafft, lässt man den Tag auf dem Weihnachtsmarkt ausklingen. Bei Glühwein, einer Schokofrucht und gebrannten Mandeln schließt einen die glückliche Stimmung ein.

Für alle, die gerne am Wetter rumnörgeln, sei schon einmal in Aussicht gestellt: Bald ist wieder der Sommer da. Klimaanlagen werden ausfallen. Kollabierte Menschen werden aus Zügen getragen werden. Der öffentliche Nahverkehr wird mit dem unverkennbaren Geruch von altem Schweiß durchdrungen sein.

Ich möchte mit den Worten des Dalai Lama schließen: „Even modern medical researchers have come to the conclusion that peace of mind is vital for good health.“ In diesem Sinne lasse ich mich vom Wetter innerlich befrieden. Schneeflocken tanzen vor meinem Fenster.

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5 Kommentare

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  1. tastenfee / Dez 9 2010 22:09

    Doch wenn die „Schneemassen“ dann dahinschmelzen und alles matschig wird und man durch Pfützen waten muss, ist’s auch nicht wirklich besser.
    Und nachts ziehen die Temperaturen wieder an und schon eine kleine Steigung wird zur schiefen Rutschebene: „Wenn jetzt einer kommt … ich kann nicht bremsen!“

  2. Jonathan / Dez 9 2010 18:33

    Ich muss glücklicherweise nicht Schneeschippen. 🙂

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